In „Hörweite“ zum Nationalsozialismus in den Sechzigern aufgewachsen lernte ich in der Schule noch viele Ewiggestrige und autoritäre Charaktere kennen. Die Ablehnung alles Fremden, Undeutschen war ihnen damals immer noch so zu eigen wie der Tatzenstock und andere Maßregelungswerkzeuge zur „Erziehung und Disziplinierung“ von mir und anderen, die unangenehme Fragen stellen konnten. Zuweilen erfolgte die Züchtigung auch bloßhändig. Als der erste Fernseher in unserer Wohnstube Einzug hielt, konnte ich die ideologische Kontinuität der „alten Männer am Sprechpult“ in schwarz-weiß „bewundern“.
Deutsche Geschichtsschreibung war meist so angelegt, dass aus Schweinen immer arme Schweine wurden. Vergangenheitsaufarbeitung fand nur in realitätsverwässernder Form statt oder wurde gleich in Gestalt geschichtsverdrehender Pseudo-Klarstellungen durch deutsche Exkulpierungshistoriker aufgetischt. Ehrliche Erinnerungskultur war in Deutschland mit der Lupe zu suchen, gründlich nur das Verdrängen, Vergessen, Verschweigen. Und so ist`s geschichtlich bis heute.
Sogar beim Fußball
Der DFB ließ vorgestern im Stadion des FC St. Pauli, vor dem gestrigen Länderspiel der Nationalelf gegen Polen, das traditionell am Millerntor an der Gegengerade hängende Bekenntnis gegen Rechtsextremismus -„Kein Fußball den Faschisten“- so abdecken, dass nur noch „Kein Fußball“ zu lesen war. Obgleich die deutsche Nationalmannschaft dort nur trainierte für das gestern im Volksparkstadion stattfindende Testspiel (0:0), konnte sich der DFB dennoch nicht durchringen, die menschliche Paulianer-Botschaft zu unterschreiben.
Gerade gegen Polen wäre es möglich gewesen ein Zeichen zu setzen, dass Deutschland sich gewandelt hat und faschistischen Ideen von 1939 nicht mehr anhängt. Offenbar ist dem nicht so. Kein Bekenntnis zu „Kein Fußball den Faschisten“, ist auch ein Bekenntnis!
In einer Stellungnahme via Twitter erklärte DFB zu Vorwürfen: „Das Millerntor wurde neutralisiert. Das heißt, dass es frei von Werbung gemacht wurde, aber auch von politischen Äußerungen.“
Dass ein Stadion bei Fußballspielen frei von Werbung gemacht würde, wäre allerdings ein Novum und auch der DFB gab bislang vor, hinter der Respect-Kampagne und der politischen Äußerung „Gib Rassismus keine Chance!” zu stehen, insofern man dem Statement relativ genau entnehmen kann wo der Kern des Problems zu finden sein könnte: Der DFB ist weder antifaschistisch, noch gegen Rechtsextremismus und er verweigert auch heute noch Erinnerungen an eine Mitverantwortung, die in seiner Haltung während der nationalsozialistischen Vergangenheit begründet liegt.
Was soll man dazu sagen? Vielleicht „Hup, Holland, Hup“!
Ein Fanclub des FC St. Pauli schrieb treffend in einem offenen Brief an den DFB: „Gerne sind wir Gastgeber bei uns im Stadion. Aber dafür streichen wir unser Wohnzimmer nicht um und rücken Möbel zurecht. ‚Kein Fußball den Faschisten‘ gehört zu uns“.
Die Episode des DFB belegt wie geheuchelt und verlogen die DFB-Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“ in Wirklichkeit ist.
Und das im Jahr 2014! Unglaublich, wie lange sich manche Verdraengung haelt……
Hi hibouh,
Verdrängung ist, wie Verschweigen auch, ein aktiver Prozess, wie man bei diesem inhumanen Abdecken des humanen Bekenntnisses -„Kein Fußball den Faschisten“- erkennen kann.
Vergessen ist ein inaktiver Prozess, der unbewusst an weniger relevant bewerteten Vorstellungsinhalten abläuft. Vergessen hat der DFB also seine „dunkle Geschichte“ noch nicht, wie man am gleichen Beispiel, diesem „entlarvenden Verhüllungsvorgang“ feststellen kann. „Entlarvender Verhüllungsvorgang“, der Ausdruck gefällt mir. Hier ist er ein echtes Paradoxon!
lg LL