Hup, Holland, Hup!

DFBIn „Hörweite“ zum Nationalsozialismus in den Sechzigern aufgewachsen lernte ich in der Schule noch viele Ewiggestrige und autoritäre Charaktere kennen. Die Ablehnung alles Fremden, Undeutschen war ihnen damals immer noch so zu eigen wie der Tatzenstock und andere Maßregelungswerkzeuge zur „Erziehung und Disziplinierung“ von mir und anderen, die unangenehme Fragen stellen konnten. Zuweilen erfolgte die Züchtigung auch bloßhändig. Als der erste Fernseher in unserer Wohnstube Einzug hielt, konnte ich die ideologische Kontinuität der „alten Männer am Sprechpult“ in schwarz-weiß „bewundern“.

Deutsche Geschichtsschreibung war meist so angelegt, dass aus Schweinen immer arme Schweine wurden. Vergangenheitsaufarbeitung fand nur in realitätsverwässernder Form statt oder wurde gleich in Gestalt geschichtsverdrehender Pseudo-Klarstellungen durch deutsche Exkulpierungshistoriker aufgetischt. Ehrliche Erinnerungskultur war in Deutschland mit der Lupe zu suchen, gründlich nur das Verdrängen, Vergessen, Verschweigen. Und so ist`s geschichtlich bis heute.

Wer könnte sich daran stören? Nur Faschisten, Rassisten...und der DFB!

Wer könnte sich daran stören? Nur Faschisten, Rassisten…und der DFB!

Sogar beim Fußball

Der DFB ließ vorgestern im Stadion des FC St. Pauli, vor dem gestrigen Länderspiel der Nationalelf gegen Polen, das traditionell am Millerntor an der Gegengerade hängende Bekenntnis gegen Rechtsextremismus  -„Kein Fußball den Faschisten“- so abdecken, dass nur noch „Kein Fußball“ zu lesen war. Obgleich die deutsche Nationalmannschaft dort nur trainierte für das gestern im Volksparkstadion stattfindende Testspiel (0:0), konnte sich der DFB dennoch nicht durchringen, die menschliche Paulianer-Botschaft zu unterschreiben.

Gerade gegen Polen wäre es möglich gewesen ein Zeichen zu setzen, dass Deutschland sich gewandelt hat und faschistischen Ideen von 1939 nicht mehr anhängt. Offenbar ist dem nicht so. Kein Bekenntnis zu „Kein Fußball den Faschisten“, ist auch ein Bekenntnis!

In einer Stellungnahme via Twitter erklärte DFB zu Vorwürfen: „Das Millerntor wurde neutralisiert. Das heißt, dass es frei von Werbung gemacht wurde, aber auch von politischen Äußerungen.“

Dass ein Stadion bei Fußballspielen frei von Werbung gemacht würde, wäre allerdings ein Novum und auch der DFB gab bislang vor, hinter der Respect-Kampagne und der politischen Äußerung „Gib Rassismus keine Chance!” zu stehen, insofern man dem Statement relativ genau entnehmen kann wo der Kern des Problems zu finden sein könnte: Der DFB ist weder antifaschistisch, noch gegen Rechtsextremismus und er verweigert auch heute noch Erinnerungen an eine Mitverantwortung, die in seiner Haltung während der nationalsozialistischen Vergangenheit begründet liegt.

Was soll man dazu sagen? Vielleicht „Hup, Holland, Hup“!

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Der mit der Wahrheit trickst

PallywoodObgleich mit dem für Antisemitismus bekannten Richard Wagner weder verwandt noch verschwägert (oder etwa doch?), so ist das bevorzugte Sujet  des Christian Wagner auch „der Jude“ in Form von Israel. Heute Morgen im Deutschlandfunk (DLF) küsste mich Christian Wagners nur knapp 3-Minuten-langer Beitrag „Der Alternative Nobelpreis für Raji Sourani“ unliebsam wach.

„Menschenrechtler“ wie Sourani, die von einer schwedischen Jury für solch „vorurteilsfreies“ Handeln ausgezeichnet werden, die sich selbst und das Lawfare-strategische PCHR als die moralisch Überlegenen wähnen und die für Menschenrechte „der besonderen Art“ eintreten, bei denen für die UN Al-Quds-Brigadisten in Zivilisten und 17-jährige Hamas-Kämpfer in Kinder umetikettiert werden, diesen bietet Christian Wagner gerne eine Plattform. In seinen Geschichten „berichtet“ Herr C. Wagner auffällig häufig gerade von jenem „anderen Israel“, welches in ganz Nahost das einzige Hindernis zum Glück zu sein scheint. So kommt es schon mal vor, dass Evelyn Hecht-Galinski, von der gerichtlicht festgestellt wurde, dass sie antisemitische Statements abgebe, ihm brausenden Beifall zollt. Allem Anschein nach tut dem Erfolg C. Wagners  „Sichtweise“ keinen Abbruch, denn neben dem DLF sind seine „Berichte“ auch im Bayerischen Rundfunk (BR) und im Südwestrundfunk (SWR) zu lesen.

Z.B. seine Geschichte im Rahmen der Themenwoche “Glück”, die von der Palästinenserin „Lidia“, die ihren Mann nur alle zwei Wochen im israelischen Militärgefängnis sehen darf, weil ihr Mann Abdelkarim zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde, seit er auf israelische Soldaten und Siedler geschossen hat.  Ob  Abdelkarim ggf. auch tödlich getroffen hat, danach fragt C. Wagner nicht, interessanter und bewegender ist für ihn wohl, dass Abdelkarims Frau dank des aus dem Gefängnis geschmuggelten Samens von ihrem Mann schwanger wurde und die „unmenschliche“ israelische Gefängnisverwaltung die Vaterschaft des inhaftierten Abdelkarim nicht anerkennt und ihm folglich verweigert, das Kind zu sehen.

In einer anderen „Wagner-Geschichte“ geht es um palästinensische Olivenbauern, die, wenn verschrumpelte Oliven unter ihrem Ölbaum liegen, einen Gifteinsatz von israelischen Siedlern vermuten, die ihnen angeblich auch ihre Wasser-Zisternen vergiftet hätten. Inwieweit C. Wagners Recherchen einen Wahrheitsgehalt aufweisen oder nur ungeprüfte palästinensische Erzählungen sind, kann nicht beurteilt werden. Sie kommen dem antisemitischen Stereotyp vom Juden als Brunnenvergifter jedenfalls auffällig nah.

Doch bleibt es das Geheimnis von Christian Wagner, wie er es anstellt, meist Israel als Schuldigen zu ertappen. Adorno meinte: „»Ein Narr macht viele« – die abgründige Einsamkeit des Wahns hat eine Tendenz zur Kollektivierung, die das Wahnbild ins Leben zitiert.“ Und das ist die Gefahr!

Nachtrag: Dass Christian Wagner kein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Presselandschaft besitzt, wird auch in dem Beitrag von Ulrich Sahm „Die Reality-Show der ARD am Grab von Scharon“  weiter untermauert. Auch Carsten Kühntopp und Torsten Teichmann sorgen u.a. dafür. Ein Journalismus, der Israel entsprechend anderen Staaten behandelte, ist leider die Abnormität.

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Die Charta der Laizität oder Wo Gott nichts verloren hat

Gott_MichelangeloSeit Ferienende hängt an allen staatlichen Schulen und Kindergärten Frankreichs eine „Charta der Laizität“ aus, die bereits im Januar 2007 vom Hohen Rat der Integration (HCI) an die französische Regierung übergeben wurde. Auf diese Weise werden die Werte der Republik und das Prinzip der Trennung von Staat und Religion nicht nur ausgehängt, sondern im wörtlichen Sinn „hoch gehängt“. Die Erinnerung war wegen vermehrter Beschwerden von verschieden-religiösen Gruppierungen erforderlich geworden. Probleme traten u.a. bei der Geschichte des Holocaust auf, bei der Behandlung des Nahost-Konflikts, im Fach Biologie, wenn die Evolutionstheorie auf dem Lehrplan stand sowie im Religionsunterricht oder beim Sexualunterricht, besonders wenn Verhütung das Thema war. Erwähnt werden auch Probleme beim Sport – Schwimmen – und, weniger bekannt, wenn es um Kunst, Kulturgeschichte und Filme geht („arts plastiques„).

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Die Charta der Laizität, zur Vermittlung der Grundbegriffe der weltlichen Republik, ist ein Rudiment von Vincent Peillon`s Projekt, das er bereits vor einem Jahr, damals neu auf dem Ministerposten, angekündigte, als er mit der Idee aufhorchen ließ, dass von der Vorschulstufe bis zum Baccalauréat die „laizistische Moral“ unterrichtet werden soll. Im Rahmen eines Festaktes enthüllte der Bildungsminister und Philosoph Peillon nun die 15 Punkte seiner Charta, die inhaltlich nichts Neues enthalten, feierlich, wie ein Denkmal:

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1.         Frankreich ist eine unteilbare, laizistische, demokratische und soziale Republik. Sie garantiert die Gleichheit vor dem Gesetz für alle BürgerInnen auf ihrem ganzen Territorium. Sie respektiert jede Welanschauung.

2.         Die laizistische Republik trennt Staat und Religionen. Der Staat ist neutral gegenüber den religiösen oder spirituellen Überzeugungen. Es gibt keine Staatsreligion.

 

3.         Die Laizität garantiert die Gewissensfreiheit für alle. Jede/r ist frei zu glauben oder nicht. Die Laizität erlaubt den freien Ausdruck der persönlichen Überzeugungen im Respekt vor anderen und in den Grenzen der öffentlichen Ordnung.

 

4.         Die Laizität erlaubt die Staatsbürgerschaft, welche die Freiheit mit der Gleichheit und Brüderlichkeit vereint im allgemeinen Interesse.

 

5.         Die Republik sichert die Einhaltung ihrer Prinzipien in den Schulen.

 

6.         Die Laizität an den Schulen bietet den SchülerInnen die Voraussetzungen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln, ihrem freien Willen zu folgen und die Staatsbürgerschaft zu erlernen. Sie schützt die SchülerInnen vor jeglichem Bekehrungseifer und vor jeglichen Druck, der sie daran hindern will, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

 

7.         Die Laizität garantiert den SchülerInnen den Zugang zu einer gemeinsamen Kultur.

 

8.         Die Laizität garantiert den SchülerInnen die Meinungsäusserungsfreiheit in den Schranken des gedeihlichen Funktionierens der Schule, wie dem Respekt der republikanischen Werte und der Vielfalt der Überzeugungen.

 

9.         Die Laizität impliziert die Ablehnung jeglicher Gewalt und Diskriminierung, garantiert die Gleichheit von Mädchen und Knaben und basiert auf einer Kultur des Respekts und des gegenseitigen Verständnisses.

 

10.       Das Personal hat den Auftrag, den SchülerInnen den Sinn und den Wert der Laizität zu vermitteln ebenso wie andere fundamentalen Prinzipien der Republik. Es wacht über deren Einhaltung an der Schule.  Es hat die Aufgabe, die Charta auch den Eltern vorzustellen.

 

11.       Das Personal ist zu strikter Neutralität verpflichtet: Es darf die eigenen politischen oder religiösen Überzeugungen im Rahmen ihrer Funktion nicht zum Ausdruck bringen.

 

12.       Der Unterricht ist laizitär. Um den SchülerInnen einen möglichst objektiven Zugang zu der Vielfalt der Ansichten in der Welt und zur Weite und Präzision des Wissen zu öffnen, ist kein Thema a priori von der wissenschaftlichen und pädagogischen Infragestellung ausgeschlossen. Kein Kind kann unter Berufung auf eine religiöse oder politische Überzeugung einer Lehrkraft das Recht bestreiten, ein Thema aus dem Lehrplan zu behandeln.

 

13.       Niemand kann sich auf die religiöse Zugehörigkeit berufen, um sich den Regeln der Schulen der Republik zu entziehen.

 

14.       In den öffentlichen Schulen respektieren die Verhaltensregeln für die verschiedenen Bereiche die Laizität. Das ostentative Tragen von religiösen Zeichen oder Kleidungen ist untersagt.

15.      Mit ihrem Nachdenken und ihrem Verhalten tragen die SchülerInnen dazu bei, dass die Laizität an ihrer Schule gelebt werden kann.

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So sollen also, nach Ansicht der Regierung, nicht nur frühzeitig unterschwellige Indoktrinationen und das Erlernen sexistischer Stereotype im Kindergarten vermieden, sondern gleichzeitig in Schulen der Erhalt der freien geistigen und sexuellen Orientierung gewährleistet werden.

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Wie zu erwarten, ist in Deutschland von dieser “Charta der Laizität” recht wenig zu hören und zu lesen, obgleich Frankreich schon häufiger den Vorstoß zur Europäisierung der Charta, auch in Brüssel, gewagt hatte. In Deutschland ist aber Staat und Kirche immer noch so wenig getrennt, dass kein Blatt Papier dazwischen passt. Weiß man doch, dass Kindern in gewollte und traditionelle Richtung gerade im frühen Alter zu indoktrinieren sind und alt verkrustete Strukturen und vermeintlich wahre Traditionen gerade so am einfachsten bewahrt werden können, die unentbehrlich für lebenslange, meist unhinterfragte Treue gegenüber inkonsistenten religiösen Lehren sind. Auch dem deutschen Steuerzahler wird bereits vom Staat die Kirchensteuer, eingeführt durch Adolf Hitler, eingezogen. Dieses Reichskonkordat gilt bis heute. Zudem subventioniert der deutsche Staat die Kirche – mit jährlich ca. 14 (!) Milliarden Euro – aus dem allgemeinen Steuertopf. Statt zu hinterfragen, welche Macht, Privilegien und freien Rechtsräume christliche Kirchen noch immer genießen, sollen auch andere, z.B. muslimische Religionsgemeinschaften immer mehr aufgewertet werden. Welch` enormen Spielraum Kirchenrecht in Deutschland besitzt, wurde besonders erschütternd während des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche vor Augen geführt. Religion ist in Deutschland keine Privatangelegenheit. Was haben Geistliche bei einem Staatsakt zu schaffen? Warum wird bei einem Amts- oder Diensteid ein Gottesbezug hergestellt? Bei jeder Vereidigung von MinisterInnen im Bundestag kann man erahnen, welch` unsichtbarer Druck zur religiösen Formel „…so wahr mir Gott helfe“, zwingt. Und gerade dieser Zusatz ist es, der für Atheisten und Agnostiker einen Eid ad absurdum führt. Deutschland ist von einem laizistischen Staat weiter entfernt als Nottuln-Appelhülsen von Auckland. Es beginnt schon mit dem Gottesbezug im ersten Satz der Präambel des Grundgesetzes: „… seiner Verantwortung vor Gott…“!

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Hunde verbotenInsofern wäre es dringend nötig, auch hierzulande in laizistischer Hinsicht dem französischen Exempel zu folgen und unsere Kinder vor jeder Art von Missionierung und Druck zu schützen. Neutralität in öffentlichen Einrichtungen öffnet nur den Weg zur toleranteren Gesellschaft und wahren Willensfreiheit. Den Menschen muss von klein auf der Zwang genommen werden, stereotype Vorgaben und überholte homophobe Traditionen aus dem eigenen sozialen, gesellschaftlichen oder religiösen Umfeld übernehmen zu müssen. Aber für viele ist die Tatsache schwer begreiflich, dass Religion in der Öffentlichkeit weniger zu suchen hat, als der Hund im Metzgerladen.

 

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Aufklärung im Rückwärtsgang

GBSDie Giordano Bruno Stiftung (GBS) hat sich auf die Fahne geschrieben, Aufklärung und Humanismus im 21. Jahrhundert forcieren zu wollen. Daran gibt es sicher nichts auszusetzen, denn immer noch steckt auch die sogenannte „aufgeklärte Welt“ Hals-tief in irrationalen esoterischen Verhaltensmustern. Aufzuklärendes gibt es mehr als genug. Viele der GBS-Aussagen und -Aktionen waren mir deshalb weitgehend sympathisch und gesinnungsverwandt. Kampagnen wie „Evolutionstag statt Christi Himmelfahrt!“, „Aufklären statt verschleiern!“ oder Proteste gegen die Todesstrafe konnte ich nur goutieren.

Leider ist aber nicht überall Aufklärung drin, wo Aufklärung draufsteht, so dass auch die GBS zuweilen dieser, bzw. zumindest einiger Kritik bedarf. Dass die Stiftung mit letzter nicht besonders umgehen kann, ist schade, sollte sie sich doch besser das seit der Antike gebräuchliche Sprichwort „Amicus Plato, sed magis amica veritas“ zu eigen machen.

Das GBS-Motto „Heidenspass statt Höllenqual“ dient der Aufklärung eben auch nur soweit der Spaß nicht wirklich ins „Heidnische“ abdriftet und die GBS nicht frühzeitig von der Aufklärungsautobahn abbiegt, wie es mehrmals zu beobachten war. GBS2So geschehen, als Michael Schmidt-Salomon beispielsweise bei seinem von der GBS unterstützten religionskritischen Kinderbuch „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ glaubte, auf berechtigte Kritik von Peter Bierl nicht reagieren zu müssen. Auch wenn das Kinderbuch generell in puncto Religionshinterfragung einen wertvollen Beitrag für kommende Generationen zu leisten im Stande ist, sollte man/frau nicht einer mangelnden Differenzierung zwischen den Religionen zum Opfer fallen und insbesondere dem Judentum durch klischeehaft antisemitische, weil an das Stereotyp jüdischer Kindermörder erinnernde Darstellung Unrecht tun.

Zu Bierls erneuten Vorwürfen im Zusammenhang mit der Verleihung des Ethik-Preises der GBS (2011), u.a. an den australischen Philosophen Peter Singer, in dem Bierl einen Euthanasiepropagandisten sieht und der Protest-Gegenstand vieler Antifaschisten und Behinderten-Verbände war, weil dieser zwischen lebenswerten und lebensunwertem Leben selektiert, nahm die Stiftung sowie ihr Vorstandssprecher zumindest schon mal Stellung. Ein Fortschritt.

Eine weitere Veranstaltung, die eher der Magisierung denn der Aufklärung diente, war der u.a. von der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützte dritte Wirtschafts- und Energiekongress „MGS3“, der sich mit den Themen Macht, Geld, Sinn und Energie, und wie diese miteinander verknüpft sind, beschäftigt. Auch GBS-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon soll im März 2013 in Köthen zugegen gewesen sein. Unter den angekündigten „Experten“ aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft befanden sich einige zweifelhafte und bauchtief im strukturellen Antisemitismus watende Referenten. U.a. der Grüne Helmut Creutz aus Aachen, der Mitglied der rechtsextremen Freie Sozialen Union (FSU) war. Die deutsche Partei beruft sich ausdrücklich auf die Lehren Gesells. Außerdem arbeitete er mit den LSI (Lebensschutzinformationen), einem Organ des rechtsextremen Weltbunds zum Schutz des Lebens (WSL) zusammen. Außerdem Margrit Kennedy, die der esoterischen Szene zuzurechnen ist. Sie hat Kontakt zur rechtslastigen esoterischen Sekte Findhorn, und sie tritt bei der sexistisch-autoritären Sekte ZEGG auf. Im Juli 1993 referierte sie im Rahmen der Vorlesungsreihe des Ökofaschisten Rudolf Bahro an der Berliner Humboldt Universität. Die „Köthener-Experten“ diskutieren unter dem Etikett der „Aufklärung“ ernsthaft das Regionalgeld „Lutzetaler“ zur Euro-Rettung.

 Ein weiterer Bärendienst für die Aufklärung ist das Buch des GBS-Vorstandssprechers „Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind“. Es legt, bedingt durch eine unzulässige, auf einem Kategorienfehler basierende Deduktion, den Grundstein für die Entschuldung von Naziverbrechen und führt  schnurgerade wieder in eine gefährliche menschenfeindliche Euthanasierechtfertigung. Aus den Libet-Experimenten kann eben nicht abgeleitet werden, dass es keine Willensfreiheit und damit kein Erfordernis von Moral gebe, auch wenn es  neuronale Vorbedingungen für alles Wollen und Tun gibt. „Diejenige Freiheit, die durch keine Hirnforschung widerlegt werden kann, reicht für Verantwortung. Wir knüpfen Verantwortung nicht an einen unbewegten Beweger oder einen nicht-physischen Willen. Wir prüfen, ob jemand denkend Kontrolle über seinen Willen auszuüben vermochte oder nicht. Im ersten Fall schreiben wir Verantwortung zu, im anderen nicht.“, sagt Peter Bieri zu dem Fehlschluss. Die gerade nicht wissenschaftliche Interpretation dieser naturwissenschaftlich-empirischen Gehirnforschungs-Ergebnisse durch den Geisteswissenschaftler Schmidt-Salomon ist surreal und inhuman. Die Organisation täte gut daran, sich wieder mehr an einer wissenschaftlichen und damit selbstüberprüfenden Kultur der Aufklärung zu orientieren und sich weniger von dem vermeintlich wissenschaftlichen und weitgehend kritikresistenten Populisten Schmidt-Salomon und obskur-braunen Esoterikern dominieren zu lassen.

Meine Aufforderung, sich zur Unterstützung der äußerst fragwürdigen und regressiven Köthener-Veranstaltung zu erklären, wurde von Seiten der GBS leider für unnötig erachtet, sowie auch E-Mails zu früher monierten Events und Aktionen an Herrn Schmidt-Salomon unbeantwortet blieben.

Ob auf solche Weise Aufklärung bei der Giordano Bruno Stiftung immer in die richtige Richtung fährt oder Herrn  Schmidt-Salomon wirklich mehr an Aufklärung als am Verkauf seiner Bücher gelegen ist, wagt man/frau zu bezweifeln.

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Nazi-Ideologie im Haus Wahnfried

Wagner als nationalsozialistischer VordenkerImmer wieder gewinnbringend ist es, wenn ein gesunder Menschenverstand sich fundiert mit Vergangenheit beschäftigt. Der Politikwissenschaftler und Historiker Matthias Küntzel verfügt über diese notwendige Qualität. Die von ihm „entstaubten“ deutschen Wunschbilder, wie zuletzt das des Richard Wagner, zeigen hinterher viel ehrlichere und kontrastreichere Züge als diejenigen, die sich Deutsche von ihrem Wagner gerne in Unterschlagung seiner „antijüdischen Schatten“ zurechtdrapieren. Die Realität bedarf aber keiner Wagner`schen Apotheose, sie zeigt in aufgeklärter Klarheit das beste aller möglichen Bilder. Dem klärenden „Staubwischen“ von Matthias Küntzel sei Dank.

Die Einstellung des Gastbeitrages „Arien für Arier? Einspruch gegen den Richard Wagner-Kult erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Von Matthias Küntzel.

„Dass man sich in Deutschland über Wagner betrügt, befremdet mich nicht,“ notierte Friedrich Nietzsche vor 125 Jahren. „Die Deutschen haben sich einen Wagner zurechtgemacht, den sie verehren können: … sie sind damit dankbar, dass sie missverstehn.“[1] Selten war Nietzsches Beobachtung so zutreffend wie heute, im „Richard-Wagner-Jahr 2013“.

Am 22. Mai, dem 200. Geburtstag des Komponisten, möchte man einen der wirkungsmächtigsten Antisemiten des 19. Jahrhunderts mit Sonderbriefmarken, Zehn-Euro-Münzen, Denkmalenthüllungen und Festveranstaltungen ehren.

Die meisten Wagner-Verehrer ignorieren seinen Judenhass, weil sie ihr Bild vom Genie nicht beschmutzen und ihr heiliges Wagner Unser nicht infrage stellen wollen. Sie schwören auf „die Droge Wagner“ und folgen allzu gern der Empfehlung des Politikwissenschaftlers Udo Bermbach, Wagner „nur als Künstler (zu) nehmen“ und „seine Weltanschauung in die Versenkung (zu) bringen“.[2]

Wenn die Judenfeindschaft des „Meisters“ doch einmal zur Sprache kommt, wird sie als Marotte behandelt, die ein bisschen peinlich und merkwürdig, aber durchaus nicht ernst zu nehmen sei, beruhe sie doch darauf, dass – so „Wagner-Experte“ Joachim Köhler -, „zwei Konkurrenten erfolgreicher waren als er. Wagner wollte sich an den beiden rächen“[3]

In Wirklichkeit – daran lässt die Antisemitismusforschung keinen Zweifel – bildeten die Schriften Richard Wagners das Scharnier, das die christliche Judenfeindschaft der Vergangenheit mit dem rassistischen Antisemitismus der Zukunft verband.

Alle Juden … verbrennen

Wagner war eben nicht nur Komponist, sondern auch ein Schriftsteller, der zehn Bände mit Aufsätzen über Kunst, Politik, Religion und Gesellschaft hinterließ. Er verstand sich als Revolutionär, der ein neues musikalisches Universum schuf, um es in den Dienst seiner Erneuerungsidee zu stellen, einer Idee, die für Juden nur eine einzige Perspektive versprach: den Untergang.

Wagners Antisemitismus hob sich von den damals gängigen Vorurteilen deutlich ab, waren doch die Juden zwischen 1850 und 1870 in Deutschland emanzipiert und relativ akzeptiert. Als Wagner 1869 die Neuauflage seiner 1850 anonym publizierten Schrift „Das Judenthum und die Musik“ herausbrachte, provozierte dies nicht weniger als 170 veröffentlichte Proteste und Angriffe; in mehreren Städten pfiff man Aufführungen der „Meistersänger“ wegen ihrer judenfeindlichen Anspielungen aus.[4] Doch Wagner ließ nicht locker.

Er war es, der den bösartigen Begriff von der „Verjudung“ erfand [5] – ein Wort mit Folgen, das sich wie ein Giftpfeil in das Bewusstsein seiner Zeitgenossen bohrte und dort ein Bedrohungsgefühl entfaltete, dass es vorher so nicht gab.

Wagners Judenfeindschaft war revolutionär. Sein revoltierender Geist und sein antisemitisches Ressentiment standen nicht im Widerspruch, wie es Wagner-Apologeten gern behaupten, sondern gehörten zusammen. „Der Jude“, schrieb Wagner 1850, „herrscht und wird solange herrschen, als das Geld die Macht bleibt, vor welcher all unser Tun und Treiben seine Kraft verliert.“[6] Folgerichtig sah er im „Untergang“ der Juden das Mittel, die „deutsche“ Kunst von Geldherrschaft und Egoismus zu befreien.

Seine Judenfeindschaft war brutal: 1869 schlug Wagner einer konsternierten Öffentlichkeit die „gewaltsame Auswerfung des zersetzenden fremden Elementes“ vor.[7] Er freute sich, als er von den antijüdischen Pogromen in Russland erfuhr und äußerte „in heftigem Scherz“ – so der Tagebucheintrag seiner Frau Cosima – den Wunsch, „es sollten alle Juden bei einer Aufführung des ,Nathan‘ verbrennen.“[8]

Und seine Judenfeindschaft war rassistisch: Der geniale Komponist bestand auf naturgegebenen Unterschieden zwischen Nichtjuden und Juden, die er mit „Würmern“, „Ratten“, „Mäusen“, „Warzen“ oder „Trichinen“ verglich. 1881 schrieb er König Ludwig II., „dass ich die jüdische Race für den geborenen Feind der reinen Menschheit und alles Edlen in ihr halt.“[9]

Vom Schriftsteller Arthur de Gobineau, der 1881 in Bayreuth weilte, übernahm Wagner zusätzlich das Phantasma von der arischen Rasse. Im selben Jahr notierte Wagner die Erkenntnis, „dass das menschliche Geschlecht aus unausgleichbar ungleichen Rassen besteht und dass die edelste derselben die unedleren wohl beherrschen, durch Vermischung sie aber sich nicht gleich, sondern sich selbst nur unedler machen konnte.“[10] Er griff damit den Nürnberger Gesetzen „zur Reinhaltung des deutschen Blutes“ vor, die Adolf Hitler 1935 in der Stadt der „Meistersänger“ verabschieden ließ.

Richard Wagner gelang es wie kaum einem zweiten, diesen Rassismus und die fundamentale Entgegensetzung von „deutsch“ und „jüdisch“ im Bildungsbürgertum zu verankern. Er galt auch deshalb als einer der Gründungsväter der antisemitischen Parteien, die 1879 im Deutschen Reich an Boden gewannen, und rühmte sich dieser Rolle noch zu Lebzeiten mit Stolz.

Es war dieser Antisemitismus, der Siegfried Wagner und Houston Stewart Chamberlain, den Sohn und den Schwiegersohn des Komponisten, 1923 dazu brachte, in Hitler den Retter Deutschlands zu sehen. Im Hass auf alles Jüdische sahen sich die Wagner-Familie veranlasst, die Bayreuther Festspiele bis 1944 als Hitler-Festspiele zu zelebrieren. Im Gegenzug verwandelte „der Führer“ Deutschland in eine Wagner-Oper – von der wundersamen Ankunft des „Lohengrin“ über den entschlossenen Griff zum Siegfried-Schwert bis zur „Feuerkur“ der Götterdämmerung .[11]

Gewiss, Richard Wagner hinterließ unterschiedliche Spuren. Seine Musik war revolutionär und hat Komponisten wie Mahler, Schönberg oder Schostakowitsch inspiriert. Was aber sagt es über uns selbst, wenn wir jene eine Spur, die Richard Wagner und den Holocaust verbindet, mit Sondermünzen und Sonderbriefmarken überkleistern?

Wagner gibt uns Hoffnung

Wie sich die Deutschen ihren Wagner zurechtmachen, zeigt beispielhaft die Sendereihe über Wagners „Ring der Nibelungen“, deren letzter Teil am Samstag auf 3sat lief.

„Wagner ist konstruktiv“, erläutert hier der Pianist Stefan Mickisch und verweist als Beleg auf den Dur-Akkord am Ende der „Walküre“. „Wagner gibt Lösungen, gibt Antworten. Er will eine Verbesserung haben. … Wagner gibt uns Hoffnung.“ Der Politikwissenschaftler Udo Bermbach präsentiert den Antisemiten als „radikalen Aufklärer“ und Vorkämpfer für „Selbstbestimmung, Freiheit, Emanzipation“. Er erklärt den erzreaktionären Chauvinisten gar zu „einem der erste Feministen“. Der Schriftsteller Friedrich Dieckmann schließlich stilisiert Wagners „Walkürenritt“ – ein martialisches Musikstück, mit dem die Nazis in den NS-Wochenschauen ihre Luftangriffe zu untermalen pflegten –zur „Antikriegs-Musik“: „Dahinter steckt ein Friedenskonzept“.[12]

Der wagnersche Antisemitismus springt aber gerade bei diesem Nibelungen-Zyklus ins Auge und ins Ohr. „Der Gold raffende, unsichtbar-anonyme, ausbeutende Alberich, der achselzuckende, geschwätzige, von Selbstlob und Tücke überfließende Mime – all die Zurückgewiesenen in Wagners Werk sind Judenkarikaturen“, sagt Theodor W. Adorno.[13] Gleichzeitig, so schreibt Paul Lawrence Rose in seinem Buch „Richard Wagner und der Antisemitismus“, gemahnen die habgierigen Nibelungenbrüder „allein schon durch die Art ihres Gesangs an das…, was Wagner im ,Judenthum in der Musik‘ ,die semitische Aussprechweise‘ genannt und als ,zischenden, schrillenden, summsenden und murksenden Lautausdruck‘ beschrieben hat.“[14]

Gleichwohl hat die 3sat-Sendereihe jedweden Hinweis auf die antijüdische Dimension des Werkes verbannt. So beraubt man den „Ring“ um einen wesentlichen Teil seiner Zweideutigkeit und Komplexität, ein Verfahren, das nicht nur wissenschaftlich und moralisch fragwürdig ist, sondern zutiefst provinziell.

Hermetisch koppelt sich der nationale Diskurs von der internationalen Diskussion, die weitaus genauer und differenzierter geführt wird, ab. International renommierte Wagner-Forscher wie Marc A. Weiner, Paul Lawrence Rose, Barry Millington und Saul Friedländer, aber auch deutsche Wagner-Kritiker wie Hartmut Zelinksy, Ulrich Drüner, Anette Hein, Gottfried Wagner und Jens Malte Fischer kommen in den Medien und bei den wissenschaftlichen Konferenzen dieses Wagner-Jahres nicht vor.

Gottfried Wagner, Urenkel von Richard und Sohn des früheren Festspielleiters Wolfgang Wagner, hat in seinem gerade erschienenen Buch „Richard Wagner – Ein Minenfeld“ glücklicherweise einen Kontrapunkt gesetzt und den ebenso geist- wie gedankenlosen Kult des „Richard-Wagner-Jahres 2013“ seziert: „Statt die Realität zur Kenntnis zu nehmen, verschanzt man sich hinter Wagners Musik und verleugnet ihren ideologischen, menschenverachtenden Kontext.“[15]

Bayreuth vertuscht

Mit dieser Davon-wollen-wir-jetzt-endlich-mal-nichts-mehr wissen-Haltung knüpfen die Wagner-Verehrer an die jahrzehntealte Praxis der Verdrängung in Bayreuth an. Hier hatte man schon 1946 die Chance verpasst, mit der Nazi-Vergangenheit des Hauses Wahnfried aufzuräumen. Damals wollten die US-amerikanischen Besatzungskräfte die einzige Hitler-Gegnerin der Wagnerfamilie – Wagner-Enkelin Friedelind – zur Leiterin der Festspiele machen. Statt Friedelind nahmen die langjährigen Hitler-Protegés Wieland und Wolfang das Heft in die Hand, um Wagners Weltanschauung und die seiner Nachkommen „in die Versenkung (zu) bringen“. So erbaten sie sie 1951 bei der Neueröffnung der Festspiele per Aushang, von „Debatten politischer Art auf dem Festspielhügel freundlichst absehen zu wollen.“

Eine zweite Chance, über die Gottfried Wagners neues Buch berichtet, wurde 1975 vertan. Damals provozierte Richards Schwiegertochter Winifred einen Skandal, als sie in einem Interview Adolf Hitler anpries und ihre jahrzehntelange Freundschaft mit ihm verteidigte. Dies löste auch innerhalb der Wagner-Familie Auseinandersetzungen aus. Doch war man sich „in einem Punkt einig: dass die belastenden Dokumente aus der Nazizeit dem Image der Familie schadeten. Noch im selben Sommer schaffte die Wagner-Urenkelin Amélie Lafferentz-Hohmann … den Großteil der brisanten Dokumente aus dem Haus und brachte sie“, um sie dem Zugriff der Öffentlichkeit zu entziehen, „in ihre Wohnung nach München“.[16]

2008 bot der Rücktritt des Festspielleiters Wolfgang Wagner erneut die Chance einer Erneuerung. Mit der Bewerbung von Nike Wagner und Gerard Mortier lag diese Option auf dem Tisch. Doch erneut wurde mit Ernennung der Töchter Wolfgang Wagners zu dessen Nachfolgerinnen die konservative Lösung gewählt. Dass der Öffentlichkeit zentrale Quellen zum Thema „Bayreuth und Nationalsozialismus“ bis heute vorenthalten werden – darunter möglicherweise ein Briefwechsel, den Hitler zwischen 1923 und 1944 mit Winifred, Wieland und Wolfgang geführt haben soll – ist skandalös.

Anstatt im Wagnerjahr zu fragen, warum der Bund, das Land Bayern und die Stadt Bayreuth den Festspielbetrieb trotz dieser Vertuschungspraxis mit rund sieben Millionen Euro jährlich unterstützt[17], setzen prominente Wagnerianer die Praxis der Verdrängung auf ihre Art und Weise fort.

Dabei steht der der musik-historische Rang der Wagnerschen Bühnenwerke ohnehin außer Frage! Auch dann, wenn man Antisemitismus in seinen Werken erkennt, lassen diese sich genießen – reflektiert genießen. Zurzeit aber wird die Frage, wie die Judenfeindschaft des Komponisten die Musik und die Figuren seiner Opern prägt, nicht einmal gestellt. Im Wagner-Jahr 2013 ist die intellektuelle Rezeption seiner Werke durch das Konzept Droge ersetzt.

Wagner selbst hatte dies so gewollt. Er wollte mit seiner Musik, wie er schrieb, „alles hinweg(schwemmen), was zum Wahn der Persönlichkeit gehört, und nur den wunderbar erhabenen Seufzer des Ohnmachtsbekenntnisses“ übriglassen.“[18]

Friedrich Nietzsche aber gab sich damit nur vorübergehend zufrieden. „Solange man noch kindlich ist und Wagnerianer dazu, hält man Wagner … für einen Großgrundbesitzer im Reich des Klangs. … Doch schon im Sommer 1876 … nahm ich bei mir von Wagner Abschied. … Seitdem Wagner in Deutschland war, kondeszendierte er Schritt für Schritt zu allem, was ich verachte – selbst zum Antisemitismus. Es war in der Tat damals höchste Zeit, Abschied zu nehmen.“[19]

Der Orginialartikel der “Welt am Sonntag” findet sich hier

[1] Friedrich Nietzsche, Der Fall Wagner, in ders., Das Hauptwerk, Band 4, München (nymphenburger) 1994, S. 190.

[2] So Udo Bermbach in der TV-Sendung „Kulturzeit“ (3sat), 17. Januar 2013. „Die Droge Wagner“, lautete die Schlagzeile des Titelblattes der ZEIT vom 3. Januar 2013, „Wer sich auf Richard Wagners Musik einlässt, verfällt ihr. Warum?“

[3] So Köhler auf der „Spiegel TV“ DVD „Richard Wagner“, die dem Schwerpunktheft des „Spiegel“ über Wagner (Nr. 14, 30. März 2013) beilag. Köhler veröffentlichte 1997, im Kontext der Goldhagen-Debatte, ein grobschlächtiges Buch mit dem Titel „Wagners Hitler. Der Prophet und sein Vollstrecker“, in dem er den Komponisten als den „Auftraggeber“ Hitlers bezeichnete (S. 385). Hitler „musste die Juden hassen, weil er den Mann liebte, der die Juden hasste.“ (S. 415) Kurz darauf wandelte sich Köhler vom schärfsten Wagner-„Kritiker“ zu dessen eifrigstem Jünger und veröffentlichte 2001 das Buch „Der letzte der Titanen“, eine schwulstige Hagiographie („Mit Wagners tiefem Es begann die Schöpfung und die Welt hob an zu singen“, S. 415).Dass der „Spiegel“ für seine Print- und TV-Ausgabe ausgerechnet diesen Autor als wichtigsten „Experten“ recycelt, kennzeichnet die Situation.

[4] Steven M. Lowenstein, Paul Mendes-Flohr, Peter Pulzer und Monika Richarz, Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd. III, München(Beck) 2000, S. 195. Eine Auswahl jener Anti-Wagnerproteste findet sich im Dokumentenanhang der Studie von Jens Malte Fischer, Richard Wagners ,Das Judentum in der Musik‘ Frankfurt/M. (Insel Verlag) 2000.

[5] Steven M. Lowenstein et. al., a.a.O., Bd. IV, S. 236.

[6] Jens Malte Fischer, a.a.O., S. 44. „Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum wäre die Selbstemanzipation unserer Zeit“, hatte sechs Jahre zuvor Karl Marx in seine Frühschrift „Zur Judenfrage“ postuliert, ein Text, den Wagner, Fischer zufolge, gekannt haben soll. (Ebd.)

[7] So im Schlussabsatz der Neuveröffentlichung von „Das Judenthum in der Musik“ von 1869, zit. nach Jens Malte Fischer, a.a.O., der Wagners Pamphlet in den Versionen von 1850 und 1869 dokumentiert.

[8] Anette Hein, ,Es ist viel ,Hitler‘ in Wagner‘. Rassismus und antisemitische Deutschtumsideologie in den ,Bayreuther Blättern‘ (1878-1938), Tübingen (Max Niemeyer Verlag) 1996, S. 113 sowie Paul Lawrence Rose, Richard Wagner und der Antisemitismus, Zürich/München (Pendo) 1992, S. 272.

[9] Brief Wagners an König Ludwig II. vom 22. November 1881, zit. nach Paul Lawrence Rose, a.a.O., S. 188.

[10] R. Wagner in: Heldentum und Christentum (1881), zit. nach Winfried Schüler, Der Bayreuther Kreis von seiner Entstehung bis zum Ausgang der wilhelminischen Ära. Wagnerkult und Kulturreform im Geiste völkischer Weltanschauung, Münster (Verlag Aschendorf) 1971, S. 238.

[11] „Zum zweiten Mal soll aus Deutschland eine Wagner-Oper werden“, schrieb Carl von Ossietzky hellsichtig am 21. Februar 1933 in einer der letzten Ausgaben der „Weltbühne“. „Siegmund und Sieglinde, Wotan, Hunding, Alberich und der ganze Walkürenchor und die Rheintöchter dazu sind – Heiajaheia! Wallalaleia heiajahei! – über Nacht hereingebrochen mit der Forderung, über Leiber und Seelen zu herrschen.“ (C. v. Ossietzky, Richard Wagner, in: Die Weltbühne, XXIX. Jahrgang, 21. Februar 1933, Nummer 8, S. 285) Mit „feuerkur“ meinte Wagner die Niederbrennung von Paris. „Mit völligster besonnenheit“, schrieb er am 22. Oktober 1850 in einem Brief an Theodor Uhlig, „und ohne allen schwindel versichere ich Dir, dass ich an keine andere revolution mehr glaube, als an die, die mit dem Niederbrande von Paris beginnt … Starker Nerven wird es bedürfen, und nur wirkliche menschen werden es überleben, d.h. solche, die durch die Noth und das großartigste Entsetzen erst zu menschen geworden sind. Laß einmal sehen, wie wir uns nach dieser feuerkur wiederfinden.“ (Zit. nach Hartmut Zelinsky, Die ,feuerkur‘ des Richard Wagner oder die ,neue religion“ der ,Erlösung‘ durch ,Vernichtung‘, in: Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, Richard Wagner. Wie antisemitisch darf ein Künstler sein? Musik-Konzepte; Heft 5, Juli 1978, S. 93.) 2013 griff die „Zeit“ Wagners „feuerkur“ als Erlösungssymbol wieder auf: „Ganz oder gar nicht, ja oder nein, lautet die Devise … 2013 dürfte sie das Zeug zu jener utopischen ,Feuerkur‘ haben (im reinigenden, durchaus militanten und jedenfalls kunstübergreifenden Sinn), die Wagner sich einst von der Gründung der Bayreuther Festspiele versprach. In Zeiten wie den unsrigen, in denen die Gestaltung von Gesellschaft zunehmend mit dem Buhlen um Mehrheiten verwechselt wird und politische Machtsicherheit bedeutet, sich schadlos aus allem herauszuhalten, könnte uns der Umgang mit Wagner zu einer neuen Entschiedenheit verhelfen. An seinem Werk könnten wir üben … wieder Partei zu ergreifen, mit Herz und Hirn ein Bekenntnis abzulegen.“ (Christine Lemke-Matwey, Der Seelenfänger, in: Die Zeit, 2. Januar 2013)

[12] Die Zitate stammen aus Folge II „Die Walküre“ der vierteiligen TV-Serie „Wagner: Der Ring“ vom 13. April 2013. Selbst in der ergänzenden Dokumentation über „Hitler und der Wagnerclan“, die 3sat am 7. April 2013 ausstrahlte, kam ein kritisches Wort über Richard Wagner nicht vor.

[13] Theodor W. Adorno, Versuch über Wagner, in: ders., Gesammelte Schriften Band 13, Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1971, S. 21.

[14] Paul Lawrence Rose, Richard Wagner und der Antisemitismus, Zürich/München (Pendo) 1992, S. 261.

[15] Gottfried Wagner, Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Richard Wagner – Ein Minenfeld, München (Propyläen) 2013, S. 169.

[16] Gottfried Wagner, a.a.O., S. 262.

[17] Gottfried Wagner, a.a.O., S. 266.

[18] Hartmut Zelinisky, Verfall, Vernichtung, Weltentrückung. Richard Wagners antisemitische Werk-Idee als Kunstreligion und Zivilisationskritik und ihre Verbreitung bis 1933, in: Saul Friedländer und Jörn Rüsen (Hg.), Richard Wagner im Dritten Reich, München (Beck) 2000, S. 310.

[19] Friedrich Nietzsche, a.a.O., S. 200 und 242.

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